Erfolgreiches österreichisches Modell: „EU-GemeinderätInnen“

Seit 2010 gibt es eine Initiative in Österreich, die ich für bemerkens- und nachahmenswert halte im Sinne des Eintretens für die europäische Integration und das Schließen der Lücke zwischen Kommunal- und Europapolitik: Europa-GemeinderätInnen, die unter dem Motto „Europa fängt in der Gemeinde an“ Ansprechpartner für besondere Bildungsmaßnahmen sowie von Fragen der Bürger sind. In Österreich sind es derzeit fast 1.000 derartige Gemeinderäte – von einem bis mehreren pro Kommune. Natürlich gibt es auch Gemeinden, die aus unterschiedlichen Gründen sich nicht beteiligen. In Österreich wurden alle Bürgermeister vom Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) angeschrieben, die dann einen oder mehrere Gemeinderäte benennen, je nach Willen des Rates. Für diese Gemeinderäte stehen Dienstleistungen zur Verfügung (z. B. Seminare über Europa-Kommunikation ca. 3-4 x pro Jahr, 1-2 pro Jahr Brüssel-Studienreisen, gelegentlich interne Briefings, Workshops zu bestimmten Themen, an denen es ja zur Zeit nicht mangelt, usw.) bzw. die betreffenden Gemeinderäte stehen als Ansprechpartner auch Bürgern zur Verfügung. Österreich hat auch erfolgreich diese informelle Struktur in die italienische Autonome Provinz Bozen-Südtirol „exportiert“.

Das österreichische Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) steht einer Ausweitung dieses Projekts in andere EU-Mitgliedstaaten überhaut nicht entgegen – im Gegenteil. Man ist auch sehr gerne bereit, konkrete Initiativen zu beraten: Frau Mag. Brigitte Trinkl, BMEIA Wien, e-mail brigitte.trinkl@bmeia.gv.at

Hier die entsprechende Website der EU-Kommission/Vertretung in Österreich: http://ec.europa.eu/austria/news/eu-gemeinder%C3%A4te-br%C3%BCssel-mittlerweile-%C3%BCber-900-teilnehmer-ganz-%C3%B6sterreich_de

Und hier die des österreichischen Bundesministeriums für Europa, Integration ud Äußeres: https://www.bmeia.gv.at/europa-aussenpolitik/europapolitik/oesterreich-in-der-eu/eu-gemeinderaete/

Die Anmeldeformulare für EU-GemeinderätInnen an das BMEIA sind einfache Adressen- und Funktionsbeschreibungen; hierüber wird dann eine Adressdatei gehalten.

Für Deutschland beispielsweise dürfte eine zentralisierte Behandlung dieser Frage durch z. B. das Auswärtige Amt nicht in Frage kommen, sondern eher auf Länderebene bearbeitet durch die jeweiligen Europaministerien der Bundesländer, auf deren Ebene auch die Kommunalaufsicht liegt, oder delegiert an die Städte- und Gemeindeverbände. Auch die Landkreise in Deutschland setzen viel EU-Recht um (z. B. Abfallrecht, Umweltrecht usw.) und sollten hierzulande nicht vergessen werden. Daher ist der Name „EU-GemeinderätInnen“ wahrscheinlich nicht automatisch übertragbar.

Auch dürfte dieses Modell nicht automatisch anwendbar sein, wenn z. B. in größeren Kommunen bzw. Landkreisen Europabeauftragte bzw. -referenten o.ä. vorhanden sind (also professionelle Kräfte der Verwaltung). Andererseits sind diese vielleicht auch daran interessiert, eine Verbreiterung ihrer Tätigkeit im Gemeinderat bzw. Kreistag zu sehen bzw. dort informationsmäßig privilegierte Ansprechpartner zu haben. Wenn die kommunale Ebene stärker europa-durchdrungen ist, ist dies auf jeden Fall kein Nachteil (zumal es eine Fülle von für Kommunen relevanter Projekte und Themen gibt, wo man „good practices“ entnehmen kann). In jedem Fall eignet es sich für kleinere Kommunen und Landkreise ohne eigenen Europareferenten.

Theoretisch wäre es auch möglich, dass die Europe Direct-Informationszentren (EDIC) Koordinationsfunktionen übernehmen, bzw. Seminare für EU-GemeinderätInnen abhalten (wie in Österreich). In Österreich arbeitet die Vertretung der EU-Kommission erfolgreich, z. B. das eine oder andere Seminar fördernd, mit den EU-GemeinderätInnen bzw. dem BMEIA zusammen; auf der Basis eines einfachen MoU (Memorandum of Understanding) aus dem Jahr 2010.  So etwas sollte auch in Deutschland möglich sein, auch in Kooperation mit den relevanten Landesministerien. Dann wären es eben statt einem MoU in Deutschland maximal 16.

Damit wären auch für alle, die sich mit der Kommunikation zum Thema Europa befassen, auf einen Schlag wichtige Ansprechpartner in den Kommunen gegeben, auch für die Europa-Union-Landes- bzw. Kreisverbände oder für die vielen Einrichtungen für politische Bildung (Landeszentralen, Stiftungen usw.). Europa hat es verdient, konstruktiv überall vertreten zu werden, auch auf Gemeindeebene, wo es eben zahlreiche Anknüpfungspunkte zu Europa gibt – von Umwelt-  über Abfall-, Veterinär-, Verbraucher- zu Verkehrs-, Digitalisierungs- und Freizügigkeitsnormen, aber auch die Integration unserer neuen ausländischen Mitbürger u.v.a.m. Etwa 70 – 85% allen EU-Rechts (je nach Sichtweise) wird auf kommunaler Ebene (in Deutschland also Gemeinden und Landkreise) umgesetzt. Nur wenige wissen dies, und wir hätten mit Sicherheit eine noch stärker regulierende Wirkung auf nationaler Ebene ohne EU-rechtlichen Beitrag der (supra-)nationalen Ebene.

Für die gesamten Aktivitäten in Österreich gibt es übrigens keine eigene Budgetlinie der dortigen Bundesregierung; etwaige Ausgaben sind dort Teil des Kommunikationsbudgets. Fahrten nach Brüssel bezuschussen das Europäische Parlament, die EU-Kommission bzw. der Ausschuss der Regionen.

Ein gelungenes Experiment, das also auch in andere Länder „importiert“ werden sollte. Ohne schwere Strukturen, leicht zu bedienen durch einen (Ministerial-)Referenten, der gelegentlich Hilfe braucht. Nicht die Lösung aller Probleme dieser Welt, aber ein kleiner Beitrag, Europa zu kommunizieren. Es lohnt sich, wie wir in den letzten Monaten in der Europäischen Union gesehen haben.

Hans-Jürgen Zahorka