Frankreich beantragt den „EU-Bündnisfall“ gemäß Art. 42 (7) EU-Vertrag – Was sind die Folgen?

Nach den Attentaten von Paris vom 13.11.2015 hat die französische Regierung an die EU den Antrag nach Art. 42 (7) EU-Vertrag gestellt, die Beistandsklausel in Kraft zu setzen. Art. 42 ist die allgemeine Bestimmung über die EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Der Absatz 7 des Art 42 ist insoweit neu, als er bisher nur die EU-Staaten band, die NATO-Mitglieder oder solche der Westeuropäischen Union (WEU) waren. Seit dem Vertrag von Lissabon bindet er jedoch alle EU-Mitgliedstaaten. Er wurde jetzt zum ersten Mal in der Geschichte der EU angerufen.

Der Artikel sagt schlicht und einfach: Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung. Wie weit diese Hilfe gehen kann, ist nicht definiert; in Zweifel ist es bewaffneter Beistand. <wie erwähnt, handelt es sich um die erste Anrufung überhaupt gemäß Art. 42 (7) EUV und somit um einen bedeutenden Schritt in Richtung einer EU-Außen- und Sicherheitspolitik. Es ist demnach völlig gleichgültig, ob die EU als solche von Terroristen angegriffen wird, die ihre Pläne im Ausland oder wo auch immer geschmiedet haben, oder von einem Land. Die Worte „ein bewaffneter Angriff“ im EU-Vertragstext sind auf beide Alternativen anwendbar.

Somit ist eine Art „Doppelgleisigkeit“ des EU-Vertrags zu Art. 222 (1) AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) gegeben, die nach diesem Artikel sogar innerhalb eines Mitgliedstaats nach terroristischen Akten tätig werden kann.

Auf das Ersuchen der Franzosen haben alle 27 anderen EU-Länder sofort mit ihrer Solidarität reagiert. Dennoch dürfte diese Aktion wahrscheinlich nur symbolischen Charakter haben, wenn man von einer weiteren Koordinierung der Geheimdienste absieht (in diesem Zusammenhang sollte man in der EU dringend arbeiten an einem EU-eigenem Geheimdienst mit zumindest teilweiser Koordinierungskompetenz, wie schon in der Vergangenheit mehrfach angedacht – wer als die EU sollte z.B. nationale Geheimdienste in Sachen Da’esh/IS koordinieren?). Bei allem darf man sich jetzt aber nicht allzu viel erwarten: Ausgerechnet das deutsche Bundesverfassungsgericht schrieb in seinem Urteil zum Lissabon-Vertrag, die Beistandspflicht mit militärischen Mitteln sei eine politische und keine rechtliche Schuld (BVerfGE 123, 267, Rn. 365 et al.).

Diese Attacke, wenn es eine Krise ist, wird so aussehen wie alle zuvor: Die EU wird gestärkt aus ihr herausgehen. Nicht so, wie ich von einem Journalisten am Tag nach dem Attentat las: „Der europäische Traum ist zu Ende …“. Eine solche Attacke braucht eine klare, europäische Antwort. Diese braut sich soeben zusammen.

Hans-Jürgen Zahorka
Chefredakteur, European Union Foreign Affairs Journal (EUFAJ), http://www.eufaj.eu

 

 

 

 

 

 

 

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